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Bei OPM-Rebellen in West-Papua: Reisebericht

Viele der ursprünglichen Bewohner West-Papuas empfinden Indonesien als Besatzungsmacht. Deshalb kämpfen sie für Unabhängigkeit. Bei meiner Reise in der Region treffe ich auf Aktivisten der Guerillabewegung OPM.

Paul, mein einheimischer Führer, will zwei Freunde in Wamena besuchen und bittet mich, mitzukommen. „Wir wollen Dir etwas zeigen“, sagt er und macht ein Geheimnis draus. Also fahren wir zurück in die Stadt zum Haus seiner Freunde. Als wir es betreten, begrüßen sie uns. Auf einem Tisch stehen Reis, Fisch und Sago. Wir essen zu viert, wechseln dann zum Tee ins Wohnzimmer. Auf dem Fernseher laufen Zeichentrickepisoden von „Tom und Jerry“. Zwei Kinder amüsieren sich auf der Couch, bis einer von Pauls Freunden, vermutlich der Vater, sie aus dem Zimmer schickt.

Auf dem Boden steht ein Laptop, wir hocken uns davor. Die beiden anderen gehören wie Paul ebenfalls zur Volksgruppe der Papuas, die diese Region traditionell bewohnen. Doch sie arbeiten für die indonesische Regierung, genauer gesagt für die Polizei. „Aber unser Herz will Freiheit“, sagt einer der Beiden. „Die indonesische Regierung schickt Militär in unser Land, um Papuas zu töten. Sie will nicht, dass wir unabhängig sind. Wir erhalten nicht einmal Reisepässe“, ergänzt der andere. „Indonesien will nur unsere Bodenschätze. Öl, Gold, Kupfer, Silber.“

Indonesien verleibte sich die ehemalige niederländische Kolonie West-Papua ein

Der Konflikt schwelt seit Anfang der 1960er Jahre, als sich Indonesien die ehemalige niederländische Kolonie West-Papua einverleibte und sie zur östlichsten Provinz des Landes machte. Erste große Aufstände gab es in der Gegend um die Stadt Manokwari an der Nordwestküste Papuas. Stämme in den Arfak-Bergen erhoben sich und forderten die Unabhängigkeit von Indonesien. Seit 1964 ist die Guerillabewegung OPM aktiv. Organisasi Papua Merdeka bedeutet die Abkürzung. Auf Deutsch: Organisation Freies Papua. Paul und seine Freunde gehören dazu. Doch sie kämpfen nicht im Dschungel. Stattdessen sammelt ihre Gruppe Informationen und leitet sie an Journalisten im Ausland weiter.

Die OPM – Organisasi Papua Merdeka – kämpft für Unabhängigkeit der Papua

Dann wird es unappetitlich. Die drei zeigen Bilder von getöteten und verstümmelten Papuas. „Wer hat das fotografiert?“, will ich wissen. „Ich“, betont Paul. „Vor drei Monaten in Puncak Jaya.“ Er spricht von der Region, in der sich der höchste Berg Ozeaniens befindet: die 4884 Meter hohe Carstensz-Pyramide. Es sind auch Bilder von Toten dabei, die an Bambusstangen getragen werden. „Die Indonesier lassen die Ermordeten einfach liegen. Wir bringen sie nach Hause, um sie in ihrer Heimat zu bestatten“, erläutert Paul.


Manche Fotos zeigen Dschungelkämpfer, die ihre Waffen und die verbotene, blau-weiß gestreifte Flagge des unabhängigen West-Papuas präsentieren. Trainiert werden sie häufig von Europäern, die als Touristen einreisen und ihnen zeigen, wie sie die Waffen bedienen.

Es folgt eine Fotoserie, die aus dem Umfeld des indonesischen Militärs bewusst zur Abschreckung im Internet verbreitet worden sein soll. Sie demonstriert in mehreren Schritten, wie eine Papua-Frau bestialisch von Soldaten ermordet wird. „Wenn ihr weiter über Freiheit sprecht, werden wir euch genauso töten“, steht am Ende in Großbuchstaben auf ihrem Rücken.

„Wenn ihr weiter über Freiheit sprecht, werden wir euch töten“

Ein anderes Bild zeigt das Foltern eines Papua-Mannes. Auf einem Stuhl festgekettet, wird ihm mit einer Zigarette der Mund verbrannt. „Wenn ein Papua mit langen Haaren und langem Bart nachts noch auf der Straße unterwegs ist, wird er von der Polizei mitgenommen. Sie unterstellen ihm einfach, er gehöre zur OPM. Ihm kann das Gleiche passieren“, erläutert Paul. „Erinnerst Du Dich noch an die Soldatenstreife gestern? Sie suchen in den Dörfern nach OPM-Führern.“

„Warum zeigst Du mir solche Bilder“, frage ich. „Du musst uns helfen, diese Verbrechen bekannt zu machen“, antwortet Paul. Diese Fotos sind schlimm. Aber sie sind Teil psychologischer Kriegsführung, wie sie in Konflikten meist beide Seiten praktizieren. Sie sollen Gewaltexzesse legitimieren.

Das Misstrauen zwischen beiden Volksgruppen sitzt tief. Indonesien wird als Kolonialmacht betrachtet. Reisende berichten von rassistischen Äußerungen indonesischer Tourguides gegenüber den Papuas. Auf dem Markt geraten ein Indonesier und ein Papua wegen einer Nichtigkeit in Streit. Auf dem Hinflug ergibt sich ein Gespräch mit der Indonesierin, die neben mir sitzt. Sie besucht jedes Jahr Verwandte in Wamena. „Welche Orte in der Umgebung sind die schönsten?“, frage ich. „Das weiß ich nicht. Ich gehe nicht raus aus der Stadt“, antwortet sie. Und berichtet detailiert von Grausamkeiten der Papuas, die ihre Schwester gesehen haben will.

„Wir möchten eine gute Beziehung zu Indonesien“

Damit konfrontiere ich Paul. „Die OPM bekämpft nur die Armee, nicht die indonesische Zivilbevölkerung“, stellt er klar. „Wir möchten eine gute Beziehung zu Indonesien. Aber wir wollen nicht von ihnen beherrscht werden. Wir wollen selbst entscheiden, was in unserem Land geschieht.“ Offenbar sieht er eine echte Chance für die Unabhängigkeit West-Papuas: „Ost-Timor hat es doch auch geschafft!“ Vor ihrem Abzug haben indonesische Soldaten jedoch die komplette Infrastruktur zerstört.

Text und Foto: Heiko Meyer

Buchtipp:

Wer mehr über das Leben in West-Papua und den Konflikt dort erfahren möchte, dem sei das Buch „Ruf des Dschungels

„* von Sabine Kuegler empfohlen. Die Autorin, die durch ihren Weltbestseller „Dschungelkind„* bekannt wurde, verbrachte ihre Kindheit in West-Papua.

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13 Kommentare zu „Bei OPM-Rebellen in West-Papua: Reisebericht“

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