Die mysteriöse Ebene der Tonkrüge befindet sich in Laos nahe der Stadt Phonsavan. Die archäologisch interessante Region wurde im Zweiten Indochinakrieg heftig bombardiert. Ein Reisebericht.
Von Luang Prabang geht es mit dem Minibus weiter nach Phonsavan, der Hauptstadt der nordlaotischen Provinz Xieng Khouang. Zu viert sitzen wir Passagiere in einer Reihe. Bewegungsfreiheit? Fehlanzeige! Wir sind eingequetscht wie in einer Legebatterie für Hühner. Die Knie drücken gegen den Vordersitz. Zwischen Kopf und Dach liegen nur wenige Zentimeter. Die Straße ist asphaltiert und in relativ gutem Zustand, aber nicht frei von Schlaglöchern. Jedes Mal, wenn der Fahrer über eins rast, stoßen sich vergleichsweise große Europäer wie ich den Kopf. Und zwar richtig!
Zudem führt die Strecke durch ein Gebirge, hat mehr Kurven als so manche Alpenstraße. Ich sitze in der letzten Reihe rechts außen. Wenn der Fahrer eine Linkskurve nimmt, klatsche ich mit der Wange an die Fensterscheibe. Wenn er in eine Rechtskurve biegt, wirft mich die Zentrifugalkraft direkt auf den Schoß der gutaussehenden, amerikanischen Sitznachbarin. Die Fahrt dauert zwar nur siebeneinhalb Stunden. Aber am Ende steige ich völlig geplättet und durchgerüttelt aus dem Minibus und fühle mich wie ein zerstörtes und wieder zusammengesetztes Puzzle.
2000 Jahre alte Steingefäße auf der Ebene der Tonkrüge
Für viele ist der Hauptgrund für die Reise hierher eine archäologische Besonderheit: die megalithischen Stätten der Ebene der Tonkrüge (Englisch: Plain of Jars). Auf mehreren Sites in der Umgebung von Phonsavan liegen Hunderte, bis zu einer Tonne schwere Gefäße. Bis heute ist der Zweck der rund 2000 Jahre alten Krüge, die nicht aus Ton, sondern aus verschiedenen Steinarten bestehen, nicht genau geklärt. Wahrscheinlich sind es Bestattungsurnen eines verschwundenen Volkes. Manche halten sie aber auch für Gefäße zum Lagern von Reis oder Alkohol.
Die Ebene der Tonkrüge liegt auf rund 1200 Metern. Sie unterscheidet sich landschaftlich sehr von anderen Regionen in Nordlaos. Die Sites (je 10.000 Kip Eintritt) lassen sich im Rahmen von Tagesausflügen besichtigen, die je nach Anbieter um 150.000 Kip kosten. Kombinierte Touren führen außerdem zu anderen landschaftlich oder historisch interessanten Zielen in der Region.
Xieng Khouang zerstört, Phonsavan neu aufgebaut
Schön ist der Ort Phonsavan sicherlich nicht. Zweckmäßige, sozialistische Gebäude dominieren das Straßenbild. Dafür gibt es treffende Gründe. Denn die ehemalige Provinzhauptstadt Xieng Khouang wurde im Zweiten Indochinakrieg nahezu komplett zerstört und als Phonsavan an anderer Stelle wieder aufgebaut.
Geheimer Krieg in Laos
Zwischen 1964 und 1973 fand in Laos der sogenannte Geheime Krieg statt. Der südostasiatische Pufferstaat wurde in den Kampf zwischen dem kommunistischen Nordvietnam und den imperialistischen USA hineingezogen. Offiziell war Laos politisch neutral und keine der ausländischen Armeen im Land stationiert. Jedoch führte der Ho-Chi-Minh-Pfad, auf dem die Nordvietnamesen Waffen und Vorräte nach Südvietnam schmuggelten, zum Teil über laotisches Gebiet. In Laos selbst wiederum kämpften die kommunistischen Pathet Lao gegen die Streitkräfte der Königlichen Laotischen Armee. Das veranlasste die USA, Laos mit Flächenbombardements zu übersäen. Wer von der Hauptstadt Vientiane mit dem Flugzeug anreist, erkennt von oben die mit Bombenkratern überzogene Landschaft.
Laos gilt als das am meisten bombardierte Land der Welt
Laos gilt als das am meisten bombardierte Land der Welt. Mehr als 1,3 Millionen Tonnen Sprengkörper wurden hier abgeworfen. Experten gehen davon aus, dass etwa 30 Prozent davon nicht detonierten. Diese stellen eine erhebliche Gefahr für die Bewohner da. Jahr für Jahr verlieren noch immer zahlreiche Menschen ihr Leben oder verletzten sich schwer. Deshalb gibt es Organisationen wie die Mines Advisory Group (MAG). Die britische Nichtregierungsorganisation zerstört Sprengkörper und bildet Bombenentschärfer aus. In einem Büro in Phonsavan können sich Interessierte über deren Arbeit informieren und Dokumentationen anschauen.
Besteck und Blumenvasen aus Kriegsschrott
Dabei gleicht das Aufspüren der nichtdetonierten Sprengkörper einem Wettlauf gegen die Zeit. Die Entschärfer müssen die Munition vor der Bevölkerung finden. Zwar verbot die laotische Regierung den Handel mit Bombenschrott. Doch versuchen viele Menschen trotzdem, damit Geld zu verdienen. 1000 Kip, weniger als zehn Cent, zahlen Händler pro Kilogramm Altmetall. Die Laoten zweckentfremden die todbringenden Waffen, setzen sie zum eigenen Vorteil ein.
So lassen sich überall im Land, vor allem in der am meisten bombardierten Provienz Xieng Khouang, Küchenutensilien wie Besteck aus Kriegsschrott finden. So züchten Laoten in großen, aufgesägten Bombenbehältern Zwiebeln oder setzen sie als Gartenzaun und Baumaterial ein. Und nicht selten wundern sich Gäste eines Restaurants über die Blumenvase, die früher einmal Granate war. Selbst an Tempeln hängen Glocken, die als Bomben Unheil brachten. Noch vieles mehr erinnert in der Provinz Xieng Khouang an den Geheimen Krieg. So lassen sich unter anderem eine Landbahn der CIA sowie eine Höhle, in der durch eine einzige Granate fast 400 Menschen starben, besichtigten.
Unterkunft in Phonsavan
In Phonsavan gibt es bereits für umgerechnet wenige Euro pro Nacht saubere Zimmer mit TV, Bad und Warmwasser. Letzteres ist unbedingt nötig, denn nachts kann es sehr kalt werden. Zumal es im ganzen Land keine Heizungen gibt.
Guesthouses und Hotels in Phonsavan lassen sich unter anderem bei booking.com* buchen.
Anreise nach Phonsavan bzw. Xieng Khouang
Am schnellsten und bequemsten ist die Anreise mit dem Flugzeug. Lao Airlines fliegt mehrmals pro Woche von der laotischen Hauptstadt Vientiane (IATA-Code: VTE) nach Phonsavan und zurück. Die Flüge werden häufig kurzfristig gestrichen. In den Flugplänen und Buchungssystemen ist der Flughafen als „Xieng Khouang“ (KXH) geführt.
Wir recherchieren Flüge am liebsten bei Skyscanner* und booking.com*. Damit lassen sich nicht nur die besten Langstreckenverbindungen, sondern auch gute Angebote regionaler Billigflieger finden.
Flugverspätung? Flugausfall? Flightright* hilft bei der Durchsetzung von Fluggastrechten – und sorgte dafür, dass uns die Airline eine Entschädigung zahlte. Ein Erfahrungsbericht.
Ab Phonsavan gibt es Direktbusse zu anderen interessanten Reisezielen in Nordlaos, unter anderem nach Luang Prabang (acht Stunden), Vang Vieng (sechs Stunden), Vientiane (neun Stunden) und Sam Neua (zehn Stunden).
Tickets für alle Transfers innerhalb von Laos und zu anderen asiatischen Ländern lassen sich unter anderem bei 12Go Asia* buchen.
Probleme bei der Weiterreise
Meine Abreise aus Phonsavan gestaltet sich schwierig. Als Nächstes möchte ich nach Sam Neua (auch Xam Neua) fahren. Die Hauptstadt der nach Vietnam hineinragenden Provinz Huaphan gilt als bester Ausgangsort für den Besuch der Höhlen von Vieng Xei. Dort hielten sich die Pathet Lao im Geheimen Krieg jahrelang vor den Amerikanern versteckt und errichteten unter der Erde Versammlungsräume, Kasernen, Krankenhäuser und Schulen.
Auf dem Busbahnhof vier Kilometer westlich der Stadt kaufe ich für 80.000 Kip ein Ticket für den Acht-Uhr-Bus nach Sam Neua. Auf meine Frage, wo das Fahrzeug sei, sagt die Verkäuferin: „Wait, wait.“ Ein Frühstück in einem der einfachen Restaurants überbrückt die Wartezeit. Danach ist der Bus noch immer nicht zu sehen. „Bus is coming“, versucht die Angestellte erneut zu beruhigen. Um auf die Toilette gehen zu können, frage ich einen Franzosen, ob er kurz auf das Gepäck aufpasst. Anschließend kommen wir ins Gespräch. Er will auch nach Sam Neua und später weiter nach Vietnam. Nun werden wir beide unruhig. Wieder gehe ich zum Schalter. Die Dame, die uns vorhin das Ticket verkauft hat, fragt plötzlich: „Where do you want to go?“
„Immer noch nach Sam Neua“, antworte ich auf Englisch.
„Wie viele Personen?“
„Keine Ahnung. Sie verkaufen die Fahrkarten. Aber der Franzose dort möchte ebenfalls nach Sam Neua.“
Dann kramt die Dame in ihrer Jackentasche und holt ein nagelneues iPhone hervor. Sie wählt eine Nummer, streckt es mir entgegen und sagt: „Sprechen Sie!“
„Mit wem? Ich kenne den Menschen doch gar nicht.“
„Sprechen Sie, sprechen Sie bitte.“
Also nehme ich das Mobiltelefon.
„Wohin wollen Sie?“, fragt der Mann am anderen Ende der Leitung.
„Sam Neua.“
„Entschuldigen Sie. Aber der Bus ist kaputt. Können Sie bis Morgen warten?“
Erst glaube ich an einen Scherz. Aber dann zähle ich eins und eins zusammen. „Ist der Bus tatsächlich kaputt, oder gibt es nicht ausreichend Passagiere?“, will ich von der Dame wissen. Ihr verschmitztes Kichern ist Antwort genug. Ob sie das Ticket umtauschen könne? Sie kann. Zwei Busse stehen bereit. Einer fährt nach Luang Prabang, wo ich herkomme, der andere über Vang Vieng nach Vientiane. Also ändere ich spontan meine Pläne und reise nach Vang Vieng.
Beste Reisezeit für die Ebene der Tonkrüge
Die beste Reisezeit für Phonsavan und die Ebene der Tonkrüge sind die trockenen Monate November bis Mai. Von Dezember bis Februar können die Temperaturen tagsüber auf zehn Grad Celsius, nachts sogar auf fünf Grad Celsius sinken.
Auslandsreisekrankenversicherung
Wichtig! Unbedingt eine gute Auslandsreisekrankenversicherung abschließen, zum Beispiel von TravelSecure*, dem Testsieger bei Stiftung Warentest. Die Kosten dafür sind überschaubar. Aber falls wirklich etwas Ernsthaftes passiert, wird es schnell sehr teuer.
Reiseführer für Laos
Der meiner Meinung nach beste Reiseführer über Laos ist der „Stefan Loose“* von Jan Düker. Auf fast 530 Seiten umfasst das Buch Tausende Reisetipps, diverse Stadtpläne und Karten, umfangreiche Informationen zur Landeskunde sowie Fotos und Anekdoten aus Laos. Von Routenempfehlungen über genaue Informationen zu Unterkünften und Restaurants bis hin zu Öffnungszeiten von Sehenswürdigkeiten und Abfahrtzeiten von Verkehrsmitteln enthält dieser Reiseführer alles, was unterwegs wichtig ist. Und während der Rest der Welt mit dem ebenfalls empfehlenswerten „Lonely Planet“* unterwegs ist, sind einige Reisetipps nur in diesem deutschsprachigen Buch enthalten.
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Text/Fotos: Heiko Meyer
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13 Kommentare zu „Reisebericht Ebene der Tonkrüge, Laos: Bombenstimmung in Phonsavan“
Das mit dem Bus ist mir in Sam Neua passiert, wo der Bus grad zwei Tage nicht mehr fuhr. Aber ich finds nicht so schlimm, wenn ich irgendwo in Laos hängen bleibe. Es ist überall entspannt…:)
Hallo Oli,
danke für Deinen Kommentar! Diese Gelassenheit sollten wir uns mehr verinnerlichen. In Deutschland scharren die Leute schon mit den Hufen, wenn der Bus eine Minute vor der Abfahrt noch nicht da ist ;-)
Mein Besuch in Sam Neua steht noch aus.
Viele Grüße und eine gute Zeit,
Heiko
Hallo,
Lieben Dank für den spannende Artikel! Ich kenne die Ebene der Tonkrüge noch nicht und war auch noch nicht in Laos – jetzt habe ich auf jeden Fall Lust dorthin zu reisen :)
Liebe Grüße aus Patagonien,
Feli
Hallo Feli,
danke für Deinen netten Kommentar. Auf jeden Fall ist es eine interessante Region.
Patagonien wiederum war ich noch nicht. Aber die Bilder, die es von dort gibt, zeugen von einer wunderbaren Landschaft. Viel Spaß und gute Reise dort!
Liebe Grüße,
Heiko
Hallo Heike,
Jaaa es ist wirklich wunderschön hier :) Vielleicht hast du ja Lust mal bei uns auf YouTube vorbeizuschauen – dann hast du eine Idee :)
Liebste Grüße
Feli
Hallo Feli,
war gerade auf Eurem YouTube-Channel… schöne Videos! Ich glaube, wir hatten die gleiche Indien-Route ;-)
Liebe Grüße und gute Reise,
Heiko
Lieber Heiko :)
Herzlichen Dank dir!!!
Alles, alles Gute!
Feli
Hallo Feli,
auch Euch weiterhin fröhliches Reisen.
Viele Grüße,
Julia
Hallo Heiko, wir waren auch vor kurzem in der Gegend und fanden es dort schön, auch wenn mir dort vor Hitze bald die Glatze weggebrannt ist :-)
Hey Chris,
bin zwar nicht Heiko habe aber Deine Geschichte des Tubens mit Amusement gelesen. Ich persönlich finde solche Orte ja eher abschreckend – und habe im Rückblick gar nichts dagegen, dass Heiko diese Reise alleine veranstaltet hat.
Einen schönen Tag und viele Grüße,
Julia
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