In Osch (Osh) beginnt die Reise durch Kirgisistan (auch Kirgistan oder Kirgisien). Der Einstand fällt schwer, doch am Ende verlassen wir die Stadt gut gelaunt.
Kirgisistan und Usbekistan – Aus mitteleuropäischer Sicht mögen diese zentralasiatischen Staaten sehr ähnlich erscheinen. Doch bereits auf der kurzen Taxifahrt von der usbekischen Grenze in die südkirgisische Stadt Osch (Osh) wird deutlich, dass es sich um zwei sehr verschiedene Länder handelt. Schon die Menschen und ihre Kleidung sehen anders aus. Muezzins rufen zum Gebet, was ihnen im ebenfalls muslimischen Usbekistan nicht gestattet ist. Und die Uniformierten in der parlamentarischen Republik Kirgisistan sind deutlich freundlicher als im autoritär regierten Nachbarland.
Große deutsche Minderheit in Kirgisistan
5,5 Millionen Menschen leben im durch Hochgebirge geprägten Kirgisistan. Es gibt sogar eine relativ große deutsche Minderheit. Zwischen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhundert kamen Mennoniten aus Deutschland auch deshalb nach Zentralasien, um dem Wehrdienst zu entgehen. Zudem ließ der russische Diktator Josef Stalin 1941 Tausende Wolgadeutsche unter anderem in die damalige Kirgisische Sozialistische Sowjetrepublik deportieren. Ende der 1980-Jahre lebten mehr als 100.000 Deutschstämmige in dieser Region. Inzwischen sind es nur noch einige Tausend. Denn nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zogen die meisten zurück nach Deutschland.
Osch ist die zweitgrößte Stadt Kirgisistans
Die Stadt Osch am Rand des Fergana-Tals ist mit über 250.000 Einwohnern nach Bischkek die zweitgrößte von Kirgisistan. Sie soll über 3000 Jahre alt und schon zu Zeiten der Seidenstraße ein wichtiges Handelszentrum gewesen sein. Aber diese lange Geschichte ist mangels historischer Monumente nicht sichtbar. Generell gibt es in Kirgisistan nur sehr wenige alte Gebäude. Früher zogen die Kirgisen als Nomaden durchs Land. Erst die sowjetischen Kommunisten sorgten für zwanghafte Sesshaftigkeit und überzogen die Ortschaften mit ihren funktionalen, wenig ästhetischen Bauten.
Ethnische Spannungen in Osch
Wie anderswo in Zentralasien gibt es auch in Osch, im relativ armen Süden Kirgisistans, ethnische Spannungen. Im Jahr 2010 kam es zu Gewaltexzessen zwischen der kirgisischen Bevölkerung und der usbekischen Minderheit. Dabei fanden über 2000 Menschen den Tod, vor allem Usbeken. Auf den ersten Blick spüren Touristen nichts von diesem tief sitzenden Konflikt, zumal Osch häufig nur Durchgangsstation ist. Doch vereinzelt sollen immer noch ausgebrannte Häuser von den Ereignissen zeugen.
Vielen Deutschen dürften die ausländerfeindlichen Krawalle 1992 in meiner Heimatstadt Rostock ein Begriff sein. Damals wurde im Stadtteil Lichtenhagen ein Wohnheim für Asylanten angezündet. Mehrere Tausend Zuschauer applaudierten. Zum Glück starb niemand, aber es herrschte „Progromstimmung“. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie furchtbar es 2010 in Osch gewesen sein muss. Als der Mob durch die Straßen zog – auf der Jagd nach Usbeken.
Schwieriger Einstand in Osch
Nur wenige Ausländer kommen nach Osch. Entsprechend gibt es kaum auf westliche Reisende ausgerichtete Infrastruktur. Schon eine Unterkunft zu finden, gestaltet sich schwierig. Russisch ist die Sprache der Wahl. Alles steht in kyrillischen Buchstaben geschrieben. Und kaum jemand spricht ein paar Brocken Englisch. Aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten habe ich am Abend Probleme, als Vegetarier eine warme Mahlzeit zu bekommen. Am Ende besteht sie aus gekochtem Reis ohne alles. Und aus Bier.
Wie in Samarkand stoßen Mar und Nuria aus Barcelona und ich auf die „internationale Freundschaft“ an. Diesmal sind wir allerdings ein bisschen niedergeschlagen. Denn die ersten Stunden in Osch waren herausfordernd. Vom Restaurant bis zum Hotel sind es nur wenige Hundert Meter. Weil kirgisische Großstädte – speziell Bischkek, aber auch Osch – aufgrund hoher Kriminalität nachts als unsicher gelten, wollen wir keine Umwege gehen. Zumal es schon stockfinster ist. Allerdings müssen wir Trinkwasser besorgen. Unterwegs folgt uns ein Betrunkener und hält uns offenbar für US-Bürger. „Hey Americano, wait“, brüllt er lallend beim Torkeln und reißt einen Arm nach oben. Wir eilen davon.
Die Stimmung am nächsten Morgen könnte besser sein. Nichts ist organisiert. Wie geht es weiter? Wie kommen wir von Osch ins kirgisische Trekkingszentrum Kochkor? Zunächst war der Plan, für diese Strecke einen Jeep zu mieten. Doch wo?
Wir statten dem im „Lonely Planet„* erwähnten Osh Guesthouse einen Besuch ab. Die Leute dort sprechen gut Englisch, servieren Frühstück und können organisieren. Die Jeep-Tour erweist sich aber als viel zu teuer. Deshalb buchen wir einen Flug morgen früh in die Hauptstadt Bischkek, um dort hoffentlich ein Taxi nach Kochkor zu finden.
Riesiger Basar von Osch
Nach Frühstück und organisierter Weiterfahrt bessert sich die Stimmung. Wir schlendern über den riesigen Basar von Osch – einem der größten Märkte Zentralasiens – und machen Fotos von den Menschen dort. Manche sind schüchtern oder wiegeln ab. Für viele ist es aber ein großer Spaß, zu posieren und das Resultat dann auf dem Bildschirm zu sehen. Ein alter Mann, geschätzte 85, kommt uns später hinterher und schenkt uns herzlich eine Melone.
UNESCO-Weltkulturerbe Suleiman-Too
Am Nachmittag geht es hinauf zum Suleiman-Too (auch Sulaimain-Too oder Sulayman-Too). Der 1110 Meter hohe „Thron des Salomon“ galt in Zeiten der Seidenstraße als Orientierungspunkt für Reisende. Heute stellt der Berg ein beliebtes Pilger- und Ausflugsziel dar und hat für die Kirgisen spirituelle Bedeutung. Aufgrund erhaltener Kultstatten gehört der Suleiman-Too seit 2009 sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe, dem einzigen in Kirgisistan. Wir wollen uns nach der langen Fahrt von Samarkand über Taschkent durch das Fergana-Tal vor allem etwas bewegen. Und erhoffen uns von oben einen schönen Blick auf die Stadt.
Unterwegs begegnen wir zahlreichen Einheimischen. Eine Frau überreicht uns frisches, warmes Brot. Eine Hochzeitsgesellschaft feiert. Muslimische Gläubige beten. Am Ende des Tages sind wir versöhnt mit Osch und froh darüber, die Stadt erlebt zu haben.
Unterkünfte in Osch (Osh)
Osch ist kein Ort, an dem man von einer Unterkunft zur nächsten geht und sich die beste aussucht. Zumal alles in kyrillischer Schrift geschrieben steht und kaum jemand Englisch spricht. Wer am späten Nachmittag oder abends in die Stadt kommt und nur auf der Durchreise ist, sollte die Reservierung eines Zimmers in Erwägung ziehen. Mehrere Hotels und Gästehäuser lassen sich unter anderem bei Booking.com* und Agoda* vorbuchen.
Manche Budgetreisende übernachten im Osh Guesthouse. Dabei handelt es sich um nicht viel mehr als eine Wohnung im Hinterhof eines Plattenbaus mit sehr einfachen Zimmern. Die Leute dort sprechen gut Englisch, servieren Frühstück und können organisieren. Übernachten hätte ich dort aber nicht wollen.
Wir entscheiden uns eher zufällig für das Kristal Hotel (Crystal Hotel). Eine gute Wahl! Zwar spricht niemand von den freundlichen Angestellten Englisch. Doch die Zimmer mit Kühlschrank, Klimaanlage und Wifi sind sehr sauber und die Location direkt am Basar ideal. Leider lässt sich das Hotel nicht über das Internet vorbuchen.
Niedrige Preise
Generell sind die Preise in Osch niedrig, sowohl für Übernachtungen als auch sonst. Ein Hauptgericht in einem Restaurant kostet 100 bis 120 kirgisische Som (1,50 bis 1,80 Euro), Pommes Frites und ein halber Liter Bier jeweils 50 Som (75 Cent), Wodka sogar nur 25 Som (knapp 40 Cent), eine Packung Zigaretten 55 Som (80 Cent).
An- und Weiterreise
Für die meisten Reisenden stellt Osch eine Durchgangsstation dar. Von und nach Usbekistan durch das Fergana-Tal geht es per vergleichsweise teurem Taxi. An der Grenze muss in ein anderes Fahrzeug umgestiegen werden.
Innerhalb Kirgisistans gibt es bis zu fünf tägliche Flüge zwischen Osch (IATA-Code: OSS) und Bischkek (FRU). Da mehrere Airlines diese Strecke bedienen, sind die Preise niedrig. Wir bezahlen bei Buchung einen Tag vor Abflug umgerechnet 38 Euro pro Person inklusive Service Charge für das Osh Guesthouse. Teils sind die 40-minütigen Flüge für 20 Euro zu haben. Passende Flüge suche ich am liebsten bei Skyscanner* und booking.com*. Damit lassen sich nicht nur die besten Langstreckenverbindungen, sondern auch gute Angebote regionaler Billigflieger finden.
Flugverspätung? Flugausfall? Flightright* hilft bei der Durchsetzung von Fluggastrechten – und sorgte dafür, dass uns die Airline eine Entschädigung zahlte. Ein Erfahrungsbericht.
Shared-Taxis benötigen für die Fahrt nach Bischkek zehn Stunden. Minibusse und Shared-Taxis fahren günstig unter anderem nach Jalal-Abad, Sary Tash und Toktogul. Für spezielle Touristenrouten, zum Beispiel nach Kochkor oder nach Tadschikistan müssen Fahrzeuge mit Allradantrieb teuer gemietet werden.
Auslandsreisekrankenversicherung
Wichtig! Unbedingt eine gute Auslandsreisekrankenversicherung abschließen, zum Beispiel von TravelSecure*, dem Testsieger bei Stiftung Warentest. Die Kosten dafür sind überschaubar. Aber falls wirklich etwas Ernsthaftes passiert, wird es schnell sehr teuer.
Reiseführer Kirgististan (Kirgistan, Kirgisien)
Die Auswahl an Reiseliteratur über Kirgisistan ist sehr begrenzt. Der einzige aktuelle deutschsprachige „Reiseführer Kirgistan„* aus dem Trescher-Verlag erhielt bei Amazon gute Bewertungen. Da meine Reise ins Land spontan erfolgte, hatte ich ihn unterwegs nicht dabei.
Der britische „Kyrgyzstan (Bradt Travel Guide)„* bietet zwar eine Fülle an Informationen zu Land und Leuten, ist vor Ort mangels praktischer Details aber nicht die erste Wahl. Wesentlich besser erscheint der ebenfalls englischsprachige „Lonely Planet Central Asia Multi-Country Guide„*, mit dem die meisten Touristen unterwegs sind.
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Text und Fotos: Heiko Meyer
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8 Kommentare zu „Südkirgisistan: Versöhnliches Ende in der Stadt Osch (Osh)“
Sehr schönes und informationsreiches Bericht
Hallo Amana,
danke für Deinen netten Kommentar :-)
Viele Grüße,
Heiko
Eine uigurische Freundin von mir hat mir erzählt sie komme aus Osch. Sie musste jedoch fliehen. Sie sagte mir für Uiguren war es das selbe wie für Usbeken. Sie könnte mir nicht mehr erzählen, ohne zu weinen, obwohl das schon lange her ist. Also habe ich mich im Internet selbst auf die Suche gemacht. Ich bin froh das gefunden zu haben. ❤️
Hallo Govanni, danke für Deinen Kommentar. Ja, es ist immer wieder traurig, was sich Menschen unter gewissen Umständen gegenseitig antun. Das durften wir gerade wieder in Bosnien-Herzegovina sehen, wo wir bis vorgestern waren. Hoffentlich müssen wir so etwas nicht erleben. Viele Grüße und alles Gute, Heiko
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Der Bericht hat mir sehr gefallen.Ich bewundere Menschen die so viel Reisen.Es gibt so viele schöne Orte auf dieser (noch) schönen Erde.Man kann ja heutzutage Billigflüge,dank des Internets finden.Ich habe letztens einen Flug über die Website http://billigerflug24.de gefunden.Übersichtlich und ohne versteckte Kosten.Gebucht wird dann auf den Partnerseiten.Ist eine Flugsuchmaschine für Billigflüge.Zusätzlich kann man sogar kostenlos und LIVE den Flug verfolgen.Sehr praktisch wenn man am Flughafen abgeholt wird.
Naja, man muss nur noch die Zeit für das Reisen finden.
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