Die meist unberührte Natur in der indonesischen Provinz West-Papua eignet sich ideal für Trekking. Wer die Strapazen nicht scheut, wird mit tollen Ausblicken, faszinierenden Begegnungen und traditionellen Dörfern belohnt. Es folgen Eindrücke von einer dreitägigen Tour ins südliche Baliem-Tal.
Zwar wurde nichts aus dem Trip ins Yali-Land zu den ehemaligen Menschenfressern. Aber etwas mehr von der Umgebung Wamenas möchte ich noch sehen – wo ich schon mal hier bin. In der Nähe meines Hotels wirbt ein kleines Büro für Trekkingtouren. Dort sitzt Penius, ein drahtiger, muskulöser Papua mit Vollbart und Rastalocken, der gut Englisch spricht. Er schlägt eine dreitägige Route ins südliche Baliem-Tal vor. Wir werden uns schnell einig.
Penius´ Zähne sind rot gefärbt vom Kauen der Betelnuss. Außerdem raucht er Zigaretten, eine nach der anderen. Er sagt, sein Alter sei 34. Ich hätte ihm zehn Jahre mehr gegeben. Aber hier in Papua sehen die meisten Menschen älter aus, als sie tatsächlich sind. Gestern unterhielt ich mich mit einem jungen Mann, der in Deutschland als Anfang 30 durchgehen würde. Er behauptete felsenfest, erst 21 zu sein. Eine Frau schätzte ich auf rund 80. Sie war erst 55. Und Körperbau und Gesichtszüge so manches 15-Jährigen lassen ihn schon wie Ende 20 erscheinen. Das Leben ist nicht einfach in diesem Teil der Welt.
Damit ich am Ende nicht im Kochtopf von Kannibalen lande, sollen die Hotelangestellten wissen, mit wem ich wo unterwegs bin. Deshalb lasse ich mich von Penius im Hotel abholen. Er bringt einen Freund mit, der uns als Träger begleitet. Auf dem Markt kaufen wir Lebensmittel und warten dann, bis genug Passagiere das Bemo, eine Art Minibus, füllen. Schließlich fahren wir zum Startpunkt unserer Tour. An einem Kontrollpunkt des Militärs fordert ein Soldat eine Zuwendung. Auch bei der nahen Polizeistation verlangt man einen Obulus. Alltag in einem korrupten Land.
Trekking durch das südliche Baliem-Tal in West-Papua
Wir wandern durch die Schlucht des reißenden Baliem-Flusses. Penius reicht mir Betelnuss. Ich probiere, taumele dann leicht berauscht den Pfad die Berge hinauf und spucke alle 15 Sekunden roten Speichel aus. Ob Betelnuss abhängig macht, will ich von ihm wissen. Seine Antwort: „Ich esse zehn bis zwölf Stück am Tag.“
Nach ein paar Stunden treffen wir in dem Dorf ein, in dem wir schlafen werden. 20 Familien leben dort. Der kleine Ort liegt direkt an einem Hang in etwa 2000 Meter Höhe, umgeben von Bergen. Er besteht aus mehreren Gruppen von Rund- und Langhäusern aus Holz und Stroh. Die einzelnen Grundstücke sind mit Mauern aus aufgetürmten Steinen oder Zäunen aus Ästen getrennt. Auf den Wegen liegt Unrat. Ratten fühlen sich von uns gestört.
Wir stellen das Gepäck in einer für Gäste reservierten Rundhütte ab. An der Wand hängen Schweinekiefer zwischen den Erinnerungsfotos. Über der Tür wacht ein toter Vogel. Der Boden besteht aus geflochtenem Bambus. In allen anderen Häusern sitzt man auf getrocknetem Gras.
16 Uhr verschwindet die Sonne hinter dem Berg. Rasch wird es kühl. Pfeiffender Wind peitscht die Wolken durch das Dorf und hüllt es in dichtes Grau. Begeisterte eben noch ein toller Ausblick auf das Bergpanorama, verschwinden nun sogar die nahen Häuser im feuchten Nebel.
Die eine Hälfte ist Küche, die andere Schweinestall
Wir begeben uns in das Langhaus der Gastfamilie. Die eine Hälfte ist Küche, die andere Schweinestall. Im Erdboden befindet sich in einem Loch die Feuerstelle. Töpfe und Pfannen stehen auf zwei Eisenstangen. Darunter wird getrocknetes Holz nachgeschoben. Penius kocht. Der Rauch beißt in den Augen. Plastikabfälle werden im Feuer verbrannt. Ich schnappe am Eingang nach Luft. Immerhin ist es warm.
Bald dämmert es. Rasch wird es stockfinster. Die Familie versammelt sich um die Feuerstelle im Küchenhaus und verbringt dort ihre Abende. Es wird gekocht, gegessen, gesprochen, gesungen. Strom gibt es nicht, darum auch keine Unterhaltungselektronik. Penius und die Erwachsenen unterhalten sich in der Dani-Sprache. Deshalb ziehe ich mich nach einer Weile ins Gästehaus zurück.
19 Uhr im Schlafsack auf einer Bastmatte unterm Moskitonetz. Es gibt nichts zu tun im Dunkeln ohne Strom. In diesem Moment sind Freundin, Familie und Freunde besonders weit weg.
Mit dem Tagesanbruch erwacht das Dorf. Kinder holen Wasser. Wie Inseln aus einem Meer aus Watte ragen Bergkuppeln aus den Wolken empor. Beim Rundgang durch das Dorf treffe ich auf fast nackte Männer. Traditionell tragen sie kaum mehr als das Koteka genannte Penisrohr. Wer kennt es nicht, dass man in bestimmten Situationen einfach nicht wegschauen kann? So ging es mir bei den ersten Begegnungen mit Stammesangehörigen in Wamena. Noch immer sind diese Herren mit ihren mit Mustern verzierten Penisrohren für mich ein Hingucker.
Nicht für Penius. „Für uns ist die Koteka so selbsverständlich wie ein T-Shirt“, erklärt er. „Als Kinder laufen wir nackt herum. Irgendwann fangen die Jungs dann an, die Koteka zu tragen. So wie Kleidung. Das ist Tradition und ganz normal für uns.“ Die Art des Penisfutterals unterscheidet sich von Stamm zu Stamm. Die Dani zum Beispiel tragen relativ dünne, bis zu 30 Zentimeter lange, gerade oder gebogene Kotekas. Sie werden mit einer Schlaufe um die Hoden befestigt und durch eine Schnur um Hals oder Bauch aufrechtgehalten. Die Lani mögen es etwas größer. Sie tragen breite und lange Kotekas. Darin bewahren die Männer oft auch Tabak und Geld auf.
Es folgen zwei weitere, anstrengende Trekkingtage. Aber der Anblick von Bergen, Tälern und der wilden Natur entschädigt für die Strapazen. Über abenteuerliche Holzbrücken passieren wir Flüsse. Wir steigen steile Pfade hinauf und erreichen schließlich weitere traditionelle Dörfer. Und immer wenn wir auf Einheimische treffen, bin ich als Weißer die Sensation. Nach zwei langen Nächten in dunklen Hütten sehne ich allerdings die Annehmlichkeiten der modernen Zivilisation herbei. Die heiße Dusche in Wamena weiß ich deshalb nun umso mehr zu schätzen.
Trekking in West-Papua – Wäre das etwas für Dich?
Text und Fotos: Heiko Meyer
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6 Kommentare zu „Reisebericht Baliem-Tal, West-Papua: Trekking im wilden Osten Indonesiens“
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