Gleich nach der Ankunft auf der indonesischen Insel Sumba gerate ich in eine blutige Totenfeier der Marapu-Religion. Dabei verlieren viele Tiere ihr Leben. Ein Reisebericht.
Die indonesische Insel Sumba liegt südlich von Sumbawa, Komodo und Flores im Indischen Ozean. Islam, Hinduismus und Christentum schafften lange Zeit nicht den Sprung über die Sumba-Straße hierher. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Insel von Holländern kolonialisiert.
In dieser Abgeschiedenheit entwickelte sich im Laufe der Zeit die Marapu-Religion. Die Menschen auf Sumba glauben nämlich, dass sie von Ahnengeistern, den Marapu, beschützt werden. Deshalb unternehmen sie alles, um die Marapu zufriedenzustellen, insbesondere durch blutige Zeremonien. Vor jeder weit reichenden Entscheidung, zu jedem wichtigen Ereignis werden von Tieropfern begleitete Rituale durchgeführt. Zur Reisaussaat, zur Ernte, zur Hochzeit, zum Tod.
Die Menschen auf Sumba glauben an die Marapu-Religion
Häufig suchen die Gläubigen Rat bei Marapu-Führern, die genaue Empfehlungen zum Ablauf der Zeremonien geben. Zwar stehen auf Sumba viele Kirchen. Gleichzeitig an Marapu und Gott zu glauben, stellt für die Menschen aber keinen Widerspruch dar. Wie andere indonesische Stämme sind sie in Religionsfragen kompromissbereit.
Ich lande in Tambolaka, dem Flughafen von West-Sumba, und wähle die gut 40 Kilometer entfernte Stadt Waikabubak als Basis. Ihren Namen zufolge könnten sich beide Orte durchaus auch in Takatukaland befinden. Ausländer reisen kaum hierher. Im Flugzeug saßen noch zwei christliche Missionare aus Kanada. Sie wollten weiter zu ihren Gemeinden nach Ost-Sumba. Während der Zeit auf der Insel lässt sich nur ein anderer westlicher Tourist blicken. Im Hotel bin ich der einzige Gast.
Große Beerdigungsfeier
Timothy, einer der Angestellten, berichtet von einer großen Beerdigungsfeier in der Nähe. Wir fahren mit seinem Motorrad zum Ort des Geschehens. Mehrere strohgedeckte Hochdachhäuser stehen um einen Platz mit Steinaltären. Etwa 100 Menschen sitzen um ihn herum. Frauen hüllen sich in prächtige Sarongs. Männer tragen Ikat-Schals auf dem Haupt sowie lange Messer in einer Holzscheide am Gürtel. Im Schatten spielen die Menschen Karten. Außerhalb stehen geschmückte Wasserbüffel bereit.
In der Mitte des Platzes findet ein Gemetzel statt. Insgesamt zehn Wasserbüffel werden zu Ehren des Verstorbenen getötet. Dafür gibt es in Indonesien sogar eine Steuer. Beamte überzeugen sich vor dem Töten von der ordnungsgemäßen Entrichtung.
Der Dorfplatz verwandelt sich in einen Schlachthof
Der Dorfplatz verwandelt sich in einen Schlachthof. Blut, Büffelkot und Massen an Fleisch liegen auf ausgebreiteten Bananenblättern auf dem Boden. Wie Gulasch für eine ganze Armee. Die Tiere werden mit Äxten in große Teile zerhackt, dann mit Messern in handliche Stücke zerlegt. Nachdem alle Büffel getötet sind, wird das Fleisch an die anwesenden Gäste verteilt. Angehörige und Freunde des Verstorbenen erhalten besonders große Stücke. Die Trauernden tragen sie später in Plastikbeuteln oder an Bambusstangen nach Hause.
Frauen reichen Schüsseln mit Reis und Fleisch an die Gäste. Mindestens ein Wasserbüffel muss bei einer Begräbniszeremonie getötet werden. Je mehr, desto besser. Um sicher zu gehen, dass die Ahnen als Marapu ins Reich der Unsichtbaren übergehen und den Lebenden gnädig gesinnt bleiben, sollen die Begräbnisse so aufwändig wie möglich sein. Zudem müssen die Wünsche des Toten unter allen Umständen erfüllt werden. „Wenn man die Versprechen gegenüber dem Verstorbenen nicht einhält, kommt Marapu und tötet dich im Schlaf“, erklärt einer der Trauergäste. Sumbas Menschen nehmen ihre Religion sehr ernst.
Verstorbene werden zum Teil für Jahre aufbewahrt
Ein Wasserbüffel kann umgerechnet bis zu mehrere Tausend Euro kosten. Dazu die Ausgaben für weitere Speisen und Getränke sowie ein großes Grab aus Stein. Viele Familien verschulden sich, um eine Beerdigungszeremonie durchzuführen. Um das erforderliche Geld aufzutreiben, werden Verstorbene bis zum endgültigen Begräbnis zum Teil für Jahre im eigenen Haus aufbewahrt.
Wie das Verlesen von Sponsoren rufen Männer laut die Namen derjenigen, die Gaben zum Begräbnis mitbringen. Auf Wunsch einiger Anwesender spendiere ich Zigaretten und Alkohol und erkaufe so einen „Heiko!“-Ruf. Penaraci heißt der lokale, klare Schnaps, der in Plastikbeuteln verkauft wird. Mit einem Langmesser schneidet jemand die durchsichtige Folie auf und gießt den Alkohol in ein Glas. Ich soll als erster trinken, bevor es in der großen Runde kreist.
Alle Büffel sind tot, ihr Fleisch verteilt. Die Prozession beginnt. Zahlreiche Männer tragen den Sarg einige Hundert Meter entlang zum Steingrab auf den Friedhof. Männer und Frauen, die dem Toten besonders nahe standen, weinen. Kinder halten sich entsetzt die Hand vor den Mund. Diese Stimmung lässt niemanden der Anwesenden kalt. Ohne den Verstorbenen überhaupt zu kennen, habe ich Tränen in den Augen. Frauen schreien und suchen in den Armen von Marapu-Geistlichen Trost. Schließlich wird der mit Betelnüssen in einem Sarg aufbewahrte Leichnam in das Grab gelegt und der Eingang zugemauert. Aber das Weinen verstummt noch lange nicht.
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Text/Fotos: Heiko Meyer
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17 Kommentare zu „Blutige Zeremonie auf Sumba: Reisebericht aus dem Reich der Marapu“
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